Neuzeit und Moderne

Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Ortschaft mehrfach geplündert, zahlreiche Gehöfte zerstört und die Bevölkerung an den Rand des Existenzminimums gebracht. Die Wirtschaft erholte sich nur langsam. 1747 wurde der Porzellanmodelleur Johann Peter Melchior in Lintorf in armseligen Verhältnissen geboren. Seine Arbeit in Höchst, Frankenthal und Nymphenburg machte ihn zu einem der bedeutenden Porzellanbildner seiner Zeit. Das Stadtmuseum Ratingen besitzt einen ansehnlichen Bestand von Werken nach seinen Entwürfen.

Bereits 1753 stand in Lintorf die erste funktionsfähige Dampfmaschine (machine á feu) in Deutschland um die Wasserkunst eines Bleibergwerks anzutreiben. In mehreren Bergwerken wurde neben Blei auch Allaunschiefer abgebaut, der u.a. zur Blaufärbung von Textilien, zur Herstellung von Medikamenten und in der zunehmend expandierenden Metallindustrie des Ruhrgebietes als Zuschlag bei der Verhüttung von Stahl Verwendung fand.

Im späten 19. Jh. wurde in Lintorf ein "Trinkerasyl für die gehobenen Stände" eingerichtet, eine der frühesten Rehabilitationsstätten für Alkoholiker in Europa.

Noch im beginnenden 20. Jahrhundert spielte der Bergbau eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben der Region. Vor allem der zweite Weltkrieg und die Folgezeit hinterließen tiefe Spuren. Bombentreffer forderten einige Tote, richteten jedoch vergleichsweise geringe Zerstörungen an. Dramatisch war das Leben von Fremdarbeitern in drei Gefangenenlagern, die für Krupp in Essen und für die "Organisation Todt" arbeiten mußten. Diese Fremdarbeiter lebten unter erbärmlichen Umständen in streng bewachten Barackenarealen.

Das Kriegsende in den Wäldern um Ratingen kostete noch nach der "offiziellen" Kapitulation vielen Soldaten das Leben, da Ratingen zur "Festung" erklärt wurde, die "bis zum letzten Mann" verteidigt werden sollte. Generalfeldmarschall Modell beging an unbekannter Stelle mitten in den Wäldern um Lintorf und Ratingen Selbstmord. Den entlassenen Fremdarbeitern folgten in Lintorf kriegsgefangene Geistliche und "displaced persons" die in den weiterhin bestehenden Lagern interniert wurden. Zahlreiche Flüchtlingsfamilien beendeten ihre Odyssee in Lintorf und begannen hier ein neues Leben.

Erst in den der 60er bis 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ging die gewachsene mittelalterliche Siedlungsstruktur des historischen Ortskerns von Lintorf verloren. Heute werden die erhaltenen historische Fachwerkbauten wie die sehenswerte Helfensteinmühle, der "Friedrichskothen" und der Kotten "Uhlenbroich" wieder liebevoll gepflegt.

Lintorf

Lintorf

Um 1031-1050 und 1052 wird Lintorf erstmals in Urkunden der Reichsabtei Werden an der Ruhr als "lindthorpe" oder "linthorpe" erwähnt.

Die Bedeutung des Ortsnamen ist bis heute nur ansatzweise zu klären. "Thorpen" treten seit dem 8. Jahrhundert sehr zahlreich in den Schriftstücken der Abtei auf und sind zumeist nach den örtlichen "Grundherren" benannt (z.B. "renoldasthorpe"). Das Wort "thorpe" beinhaltet die Bedeutung von "umhegen" und "umgrenzen". Es stellt im weiteren Sinne einen Rechtsbegriff dar und wer nach fränkischem Recht einen "thorpefalheldero", den Überfall auf eine Thorpe beging, war schweren Strafen ausgesetzt. Die Vorsilbe "lin/lind" ist ein weibliches Attribut und scheidet als Personennamen aus. Die inhaltliche Bedeutung ist nicht zu erfassen. Bemerkenswert ist dasselbe Attribut im benachbarten Sieldungsnamen "Linnep".

Als bauliche Anlage handelt es sich um kleinere, in Haupt- und Nebengebäude gegliederte Siedlungseinheiten, manchmal auch um eine größere Ansammlung von Einzelhöfen, die möglicherweise gezielt zur Aufsiedlung von Reichsgut oder "Königsland" angelegt wurden. Lintorf lag inmitten des Reichsforst "Wenaswald" der der Verwaltung des Königshof Duisburg unterstand.

Der Adelssitz "Beeker Hof", die mittelalterliche Kirche des 12.Jhs., das leider abgerissene "Kornsgut" nahe der Kirche und die "alder moilen" (alte Mühle) auf deren Standort noch das Gut "Termühlen " am Uhlenbroich hinweist, sind die Eckpunkte "herrschaftlicher" Bautätigkeit am rechten Bachufer. Das Kornsgut war der Speicher für die Getreideabgaben der Lintorfer Hofesstellen die in der unmittelbar benachbarten "alten Mühle" gemahlen wurden.

Erst in der Neuzeit kam die heute noch funktionsfähige "neue Mühle", die "Helfensteinmühle", am linken Bachlauf hinzu. Weiter oben am Bachlauf liegt heute noch die "Oberste Mühle", eine Ölmühle. In der Scheune ist noch das Mauerwerk des Mühlradlagers erhalten.

Texte und Bilder: Thomas van Lohuizen, "Die Quecke"