Fränkische Zeit und Mittelalter

Die Gräberfelder des römischen Kastells Gellep wurden ohne Unterbrechung auch in fränkischer Zeit weiter belegt, darunter Bestattungen hochrangiger Personen. Aus Stockum ist eine grosse Siedlung und ein Gräberfeld bekannt und aus Breitscheid stammt ein Gefäß aus frühfränkischer Zeit. Der genaue Fundort ist leider unbekannt.

Die Hoheitsrechte in der Gemarkung Lintorf, Rechtssprechung, Schweinetrift und Holzeinschlag, gehörten im 7.Jh.n.Chr. zu den Schenkungen Pippin von Heristal an den christlichen Missionar Suitbertus. Lintorf trug offenbar als untergeordnete Verwaltungseinheit des Hofes "rinthusen" bei Kaiserswerth zum Unterhalt des Koenigshofes von Duisburg bei. Die auf einer natürlichen (?) Erhebung am Dickelsbach angelegte Kirche in Lintorf überdeckte vermutlich den zentralen heidnischen Bestattungsplatz der Lintorfer Hofherren im frühen Mittelalter.

Spätere Bestattungen und der Abriß der romanischen Kirche des 11./12. Jhs. im 19. Jh. vernichteten sehr wahrscheinlich die ursprünglich vorhandenen Bodendenkmäler. Ueberraschend konnten am "Beeker Hof" 1996 eine Anzahl von Keramikfragmenten des 8.Jhs.n.Chr. geborgen werden, die bislang ältesten sicheren Belege für die Zeit des Mittelalters in Lintorf. 1998 kamen zahlreiche Keramikreste aus der Flur "Im kleinen Feld" dazu, die eine sozial hervorgehobene Siedlungsstelle in unmittelbarer Nähe anzeigen, die ebenfalls in die Zeit des 8./9.Jhs. angelegt wurde. Zu dieser Zeit wurden Gefäße aus Töpfereien aus dem Kölner Raum nach Lintorf verfrachtet.

Zur Zeit Karls des Großen gehörte Lintorf nicht mehr unmittelbar zum Grenzgebiet der Sachsenkriege, sondern war Versorgungsraum für die Aufenthalte der Herrscher und in Konfliktfällen für die starken Kriegsverbände, die bei Duisburg über den Hellweg zogen. Im Bereich der Fundstelle "Im kleinen Feld" fanden sich zahlreiche Wetzsteine und Reste von Eisenschlacken, die darauf hindeuten, daß vor Ort möglicherweise auch Eisen verhüttet und weiter verarbeitet wurde. Die Eisengewinnung war in fränkischer Zeit von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Im hohen Mittelalter bildete sich die heute noch im Ortsbild erkennbare feudale Grundstruktur des Siedlungsgefüges aus.

Im hohen Mittelalter war Lintorf eine zeittypische Landgmeinde, jedoch mit enorm hoher wirtschaftlicher Kapazität. Dem Ort stand ein riesiges Gebiet als Wirtschaftsraum ("Gemarkung") zur Verfügung, das umfangreiche Waldwirtschaft, Viehhaltung und Ackerbau ermöglichte. In diesem Gebiet befanden sich auch Tagebaue mit Brennöfen an Kalklagerstätten.

Wichtig war der Raseneisenerzabbau, der für den großen Eisenbedarf der Rüstungs-, Waffen- und Werkzeugschmiede in der mittelalterlichen Stadt Ratingen arbeitete. Bereits im 12.Jh. produzierten in Breitscheid und Lintorf Töpfereien weit über den örtlichen Bedarf hinaus, wohl insbesondere für den Duisburger Markt. Namentlich bekannt ist der 1362 verstorbene Töpfer "Gerhardus zu Linnep". Töpfereiabfälle hervorragend gearbeiteter grau (reduziert) gebrannter Keramik stammen in Lintorf von der "Obersten Mühle" und aus dem Umfeld des Waldfriedhofs. Die Keramiken aus Lintorf und Breitscheid sind in guter Qualität gearbeitet, ungewöhnlich vielseitig dekoriert und in vielen Varianten ausgeformt. Neben einfachen kugeligen Kochtöpfen wurden Krüge, Becher, Doppelhenkelflaschen, Siebe, Dreibeintöpfe (Grapen), riesige Schalen und 50cm hohe "Vorratsgefäße" und zahlreiche weitere Gefäßvarianten hergestellt.

Diese Keramikproduktion ist für die Keramikforschung von überregionaler Bedeutung, denn sie setzte die Duisburger Töpfertradition der Zeit des 9.-10. Jhs. fort. Die großen Vorratsgefäße sind die bislang ältesten erkannten Beispiele dieser Form.
Die laufenden Untersuchungen bringen immer wieder erstauliche Details zutage. Das allgemeine Absatzgebiet der Töpferware dürfte einen Radius von ca. 30 Kilometern umfaßt haben. "Ausreißer" wurden in der Nähe von Bonn (Stift Villich), bei Monheim (Haus Bürgel) und Zons festgestellt.

Die Reichsstadt Duisburg war der Hauptmarkt für den Absatz der Keramik, die als Verpackung für Handelsgüter auch entlang des Rheinlaufs Verbreitung fand. Ein im 14. Jh. geschlossener Vertrag zwischen den Grafen von Berg und der Stadt Duisburg erleicherte den wirtschaftlichen Verkehr zwischen den Territorien. Spätestens im frühen 15. Jh. wurde dasTöpfergewerbe aufgegeben.

Im 14. Jahrhunderte lebte Heinrich von Lintorf als Stadtschreiber in Köln. Er ist eine der wenigen Persönlichkeiten des Mittelalters über deren Leben näheres bekannt ist. Er war mutmaßlich der Schöpfer des Kölner Versepos von der "Weberschlacht" (1371).

Lintorf

Lintorf

Um 1031-1050 und 1052 wird Lintorf erstmals in Urkunden der Reichsabtei Werden an der Ruhr als "lindthorpe" oder "linthorpe" erwähnt.

Die Bedeutung des Ortsnamen ist bis heute nur ansatzweise zu klären. "Thorpen" treten seit dem 8. Jahrhundert sehr zahlreich in den Schriftstücken der Abtei auf und sind zumeist nach den örtlichen "Grundherren" benannt (z.B. "renoldasthorpe"). Das Wort "thorpe" beinhaltet die Bedeutung von "umhegen" und "umgrenzen". Es stellt im weiteren Sinne einen Rechtsbegriff dar und wer nach fränkischem Recht einen "thorpefalheldero", den Überfall auf eine Thorpe beging, war schweren Strafen ausgesetzt. Die Vorsilbe "lin/lind" ist ein weibliches Attribut und scheidet als Personennamen aus. Die inhaltliche Bedeutung ist nicht zu erfassen. Bemerkenswert ist dasselbe Attribut im benachbarten Sieldungsnamen "Linnep".

Als bauliche Anlage handelt es sich um kleinere, in Haupt- und Nebengebäude gegliederte Siedlungseinheiten, manchmal auch um eine größere Ansammlung von Einzelhöfen, die möglicherweise gezielt zur Aufsiedlung von Reichsgut oder "Königsland" angelegt wurden. Lintorf lag inmitten des Reichsforst "Wenaswald" der der Verwaltung des Königshof Duisburg unterstand.

Der Adelssitz "Beeker Hof", die mittelalterliche Kirche des 12.Jhs., das leider abgerissene "Kornsgut" nahe der Kirche und die "alder moilen" (alte Mühle) auf deren Standort noch das Gut "Termühlen " am Uhlenbroich hinweist, sind die Eckpunkte "herrschaftlicher" Bautätigkeit am rechten Bachufer. Das Kornsgut war der Speicher für die Getreideabgaben der Lintorfer Hofesstellen die in der unmittelbar benachbarten "alten Mühle" gemahlen wurden.

Erst in der Neuzeit kam die heute noch funktionsfähige "neue Mühle", die "Helfensteinmühle", am linken Bachlauf hinzu. Weiter oben am Bachlauf liegt heute noch die "Oberste Mühle", eine Ölmühle. In der Scheune ist noch das Mauerwerk des Mühlradlagers erhalten.

Texte und Bilder: Thomas van Lohuizen, "Die Quecke"